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Das Synthetische a priori und Kantianischer Nonkonzeptualismus

In der Vorrede zur ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft bemerkt Kant über den Wissenschaftszustand seiner Zeit, dass es offenbar die Wirkung nicht des Leichtsinns, sondern der gereiften Urteilskraft, die eine Überprüfung bzw. die Kritik der Erkenntnisquellen auffordert. Die Kritik hat die Aufhebung des Scheinwissens und die Hervorhebung einer gültigen Erkenntnis zum Ergebnis. Dem Gesamtbild der kritischen Philosophie nach beschränkt sich die gereifte Urteilskraft allerdings nicht ausschließlich auf die Erkenntnistheorie. Sowohl bei ästhetischen als auch bei praktischen Fällen, so Kant in Anthropologie, verwenden wir ebenfalls die Urteilskraft, weil wir hierbei ebenso gut mit Verknüpfung irgendeiner Art zu tun haben. Ich möchte mich jedoch auf die erkenntnistheoretische Rolle der Urteilskraft bei einem gegenwärtigen Disput begrenzen, nämlich auf die Frage nach Kantianischem Nonkonzeptualismus. Es geht hier um die Frage, ob die kritische Urteilskraft, welche eine synthetische Erkenntnis a priori hervorbringt, das Problem der Heterogonität der Erkenntnisquellen bzw. des Kantianischen Nonkonzeptualismus auflösen könnte.
     Die Frage nach Kantischem (Non-)Konzeptualismus entspringt hauptsächlich aus den verschiedenen menschlichen Vorstellungsarten, nämlich Anschauungen und Begriffen. Dispositional dürfen sie nicht aufeinander reduziert werden. Dadurch könnte, so (Non-)Konzeptualisten, die Eigenständigkeit dieser Erkenntnisarten hingewiesen werden. Diese Gegenüberstellung möchte ich aus zwei Gründen übergehen. Erstens weil jede von (Non-)Konzeptualisten die Kantianischen Vorstellungsarten, zugunsten ihren eigenen erkenntnistheoretischen Positionen, mit nicht-kantianischen Elementen verschmolzen haben. Zweitens weil die beiden Quellen erst im Hinblick auf die synthetischen Urteile a priori ihre positiv bestimmten Rollen aufweisen. Diese Urteile wurden jedoch neuerdings von Urteilstheoretikern als den Kantischen Konzeptualismus anderer Art infrage gestellt. Im Folgenden möchte ich hingegen argumentieren, dass (1) die synthetische Erkenntnis a priori das Ziel der Kantischen Erkenntnitheorie bezeichnet und deswegen als kein neuer (konzeptueller) Ausgangspunkt aufgenommen werden darf; und dass (2) der nonkonzeptuelle Inhalt auch bei synthetischer Erkenntnis a priori wiedererkennbar ist, weil sie grundlegend dadurch sich von dogmatischer Erkenntnis unterscheidet.
     Zum Beginn der Analytik der Grundsätze unterscheidet Kant eindeutig zwischen dem Verstande als das Vermögen der Regeln und der Urteilskraft als das Vermögen unter Regeln zu subsumieren. Beide haben mit Regeln bzw. den Begriffen zu tun. Allein im ersteren Fall geht es jedoch um die Diskursivität der Begriffe. Um in Urteilen eingesetzt werden zu können, müssen mannigfaltige Vorstellungen erst durch die Begriffe synthetisiert, nämlich als conceptus communis aufgefasst werden. Darüber aber, ob eine sinnliche Anschauung mit allen ihren reichhaltigen Bestimmungen unter diesem conceptus communis stehe, entscheidet der Verstand selbst nicht. Die Diskursivitätsthese hat daher unmittelbar nichts mit propositionaler Erkenntnis bzw. den Urteilen zu tun. Eine Erkenntnis im ausgeprägten Sinne wird dann erreicht, nur wenn die beiden Elementen sich miteinander verbinden, d.h. die Anschauungen unter Begriffen subsumiert werden können. Die Erkenntnis charakterisiert sich daher als synthetisch-begrifflich. Da nun die Leistung der diskursiven Begriffe endlich in Urteilen aufgewiesen wird, argumentieren die Urteilstheoretiker dafür, die Diskursivität solle den Urteilen zugeordnet werden. Dieses Muster befolgt beispielsweise Allisons ,,discursivity these'' (1983). Dieses hat Urteilstheoretiker dazu hingeführt, die Anschauungen und Begriffe genetisch gleichursprünglich aufzufassen, nämlich die Heterogonität derselben abzuschwächen.
     Eine gültige Erkenntnis nennt Kant dagegen synthetisch a priori, weil es dabei nicht bloß um die (reinen) Begriffe geht. Die Erkenntnis beruht sich hauptsächlich auf eine Heterognität, die zuvörderst einen Gegensatz zu einer aus bloßen Begriffen entsprungenen Erkenntnis bzw. einer dogmatischen bildet. Die Urteilstheoretiker haben nun zurecht argumentiert, dass die Begriffe in Urteilen bzw. in propositionaler Erkenntnis funktionieren können, weil der Verstand überhaupt ein Vermögen zu urteilen aufgefasst wird. Anders bei ihnen kann aber der Verstand nur insofern urteilen, dass er auf den sinnlichen Anschauungen restringiert ist: Nichts anderes besagt die gereifte Urteilskraft, als dass sie derjenige Verstand ist, der nur mit Übung zu tun hat, nicht aber mit Belehrung der Begriffe. Denn Belehrung, so Kant in Anthropologie, geschieht durch Mitteilung der Regeln bzw. Begriffe, die wiederum einer Übung bedarf. In Urteilen können die Begriffe die Daten propositional synthetisieren, weil außerhalb des Urteilens, nämlich durch die Begriffe selbst keine propositionale Erkenntnis bzw. keine Übung stattfinden kann. Es muss also die Urteile geben, in denen die Begriffe die Daten propositional synthetisieren können. Die Daten selbst werden daher uns durch keine Begriffe gegeben. Wäre es also keine unmittelbare, nonkonzeptuelle Daten vorhanden, würde die Gültigkeit bzw. die Externalität der synthetischen Urteile a priori weder erweisbar noch sinnvoll.

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