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Die vollkommenen Pflichten gegen sich selbst im Spannungsfeld der Einteilung der Metaphysik der Sitten

Unter den aktuellen Fragen der Forschung zur Moralphilosophie Kants darf das Thema seiner Einteilung der Metaphysik der Sitten gewiss zu den schwierigeren gezählt werden. Diese Tatsache erhellt sich schon mit dem Blick auf den bloßen Umfang der Ausführungen Kants zur Einteilung in der Einleitung in die Metaphysik der Sitten wie auch der Einleitung zur Tugendlehre und setzt sich in Betrachtung der verschiedenen bisweilen konkurrierenden Einteilungen bzw. Einteilungskriterien fort.
     Innerhalb dieses Spannungsfeldes präsentieren sich dem Leser der Tugendlehre die vollkommenen Pflichten des Menschen gegen sich selbst (§§ 5-12 TL) als besonders problematisch - so wurden sie beispielsweise von Otfried Höffe als "Mischpflichten" bezeichnet, Wolfgang Kersting und Alessandro Pinzani entdeckten in ihnen gar eine "contradictio in adiecto". Problematisch sind diese Pflichten deshalb, da sie eigentlich unvereinbare Eigenschaften einerseits von Rechtspflichten, andererseits von Tugendpflichten besitzen. Mit Rechtspflichten verbindet sie der direkte Bezug auf Handlungen, die sie als Unterlassungspflichten verbieten, dami tauch die Vollkommenheit ihrer Verbindlichkeit. Mit Tugendpflichten verbindet sie zugleich die Innerlichkeit ihres Verpflichtungsverhältnisses, mithin auch die Unmöglichkeit rechtlichen Zwangs, sodass hier allein moralischer Selbstzwang durch die Vorstellung eines Zwecks, den zu haben Pflicht ist, möglich ist - damit beziehen sich diese Pflichten in Berücksichtigung der Triebfeder zugleich auf Maximen.
     Der Vortrag soll sich zunächst kurz mit den genannten Schwierigkeiten bezüglich der Einteilung befassen, sodann die Unvereinbarkeiten verschiedener Bestimmungen der vollkommenen Pflichten gegen sich selbst in den Blick nehmen; dabei sollen diese Bestimmungen in Bezug auf den allgemeinen Rahmen der Einteilung der Metaphysik der Sitten gesetzt werden. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf dem Verhältnis der vollkommenen Pflichten gegen sich selbst zu den inneren Rechtspflichten sowie zu den pseudo-ulpianischen Formeln der Rechtslehre (RL 236f.) liegen. Sodann soll eine Interpretation vorgeschlagen werden, die zwar die vollkommenen Pflichten gegen sich selbst weiterhin in gewissem Sinne als Mischpflichten ansieht, welche mit Merkmalen sowohl von Rechts- als auch Tugendpflichten ausgestattet sind, die aber etwaige Widersprüchlichkeiten auszuräumen sucht. Ziel dieser Interpretation ist die Beantwortung der Frage, wie Pflichten, die sich mit vollkommener Verbindlichkeit auf Handlungen beziehen, zugleich Tugendpflichten, damit Bestandteil der Tugendlehre sein können.
     Am Beispiel des Abschnitts Von der Selbstentleibung (§ 6 TL) soll gezeigt werden, dass es sich hierbei in der Tat um eine Tugendpflicht handelt, in die eine innere Rechtspflicht eingebettet ist. Diese wurde, als bloß negative Pflicht nach dem Zweck der Erhaltung der eigenen Vollkommenheit (TL 419), um einen positiven Anteil erweitert, welcher über die bloße Unterlassung der Handlung (bzw. jeder so gearteten Maxime) hinaus zur Selbstvervollkommnung durch eine Bereinigung der Triebfedern der betreffenden Maximen anweist. Sodann soll unter Bezug auf die von Kant gewählten Kriterien zur Einteilung der Metaphysik der Sitten (darunter hauptsächlich die Form der Gesetzgebung) dargelegt werden, welche systematischen Notwendigkeiten Kant zu dieser Konstruktion bewogen haben mögen; eine besondere Rolle spielt hierbei die Unmöglichkeit äußeren Zwangs im Falle von vollkommenen Pflichten gegen sich selbst, welche lediglich einen moralischen Selbstzwang übrig lässt. Schließlich soll dargelegt werden, welche Folgen die dargestellt Interpretation für das Verständnis der vollkommenen Pflichten gegen sich selbst nach sich zieht.

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