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Das unendliche Urteil als synthetische Funktion apriori

Das unendliche Urteil ist eine Synthesis a priori zweier reiner Funktionen des Denkens. Diese These erscheint im Lichte der Urteilstafel, die eigentlich die Formen des reinen Denkens unsynthetisiert darstellen soll, fragwürdig. Die metaphysische Deduktion der Kategorientafel wird ja gerade vermittels des Begriffs der Synthesis geleistet (vgl. B 104). Sollen unendliche Urteile als synthetische Funktionen begriffen werden, so muss eine Synthesis, die keine zwischen Anschauung und Begriff ist, gedacht werden. In einer formallogischen Urteilstafel würde das unendliche Urteilden affirmativen Urteilen subsumiert werden. Der Transzendentalphilosophie ist das synthetische Apriori eigentümlich. Die Urteilstafel, die sich in der Kritik der reinen Vernunft findet, ist als eine Urteilstafel der Transzendentalen Logik aufzufassen, die spezifisch unterschiedliche Denkhandlungen systematisiert. Nur dadurch kann die Erwähnung der unendlichen Urteile gerechtfertigt werden, die eine ursprüngliche Synthesis des negativen Urteils mit dem affirmativen Urteil sind (vgl. B 110). Das unendliche Urteil ist eine eigentümliche Handlung des Denkens bei der reine Funktionen des Denkens synthetisiert werden.
     Die vordergründige Funktion der unendlichen Urteile in der Transzendentalen Analytik erschöpft sich in der ihnen entsprechenden Kategorie der Limiation. Durch die Limitation ist es Kant möglich, das graduelle Denken intensiver Größen in der Transzendentalen Analytik abzuhandeln und der Logik der Wahrheit die Wahrscheinlichkeit zu integrieren. Das unendliche Urteil ist jedoch als reine, synthetische Denkbestimmung eine Bedingung der Möglichkeit der Transzendentalen Dialektik, in der es seinen eigentümlichen sytematischen Ort hat. Darauf weist auch Kants Beispiel, die Seele ist unsterblich, hin. Während wir vom Sterblichen einen empirischen Begriff haben können, so ist für uns vom Unsterblichen nur intellektuell ein Begriff zu gewinnen. Das unendliche Urteil bildet eine begriffliche Sphäre durch die negative Abgrenzung zu bestimmtem Anderen (dem Sterblichen). Es ist eine produktive Funktion des Denkens. Es wird in die Urteilstafel aufgenommen, da seine Funktion einzigartig und für die Dialektik bedeutsam ist, "weil die hierbei ausgeübte Funktion des Verstandes vielleicht in dem Felde seiner reinen Erkenntnis a priori wichtig sein kann" (B 98).
     Durch das unendliche Urteil scheint sich das Denken über die Grenzen der Erfahrung hinaus erweitern zu können. Eine Erfahrung von der Unsterblichkeit ist uns unmöglich. Keine Synthesis mit den Formen der Sinnlichkeit kann zum Begriff einer unsterblichen Seele führen. Das unendliche Urteil ermöglicht die Vorstellung leerer Begriffe und die Bildung begrifflicher Sphären jenseits möglicher Erfahrung. Es ist die genuine Funktion der Transzendenz des durch mögliche Erfahrung Gegebenen, ermöglicht die Überschreitung des Rahmens der Transzendentalen Analytik und eröffnet die Transzendentale Dialektik. Die Funktion unendlicher Urteile ist hierbei jedoch nicht dadurch erschöpft, dass es solche Transzendenz überhaupt, sondern auch, dass es die Überwindungund den Ausgleich von Gegensätzen bewerkstelligt.
     Das unendliche Urteil erlaubt es, kontradiktorische Gegensätze als konträre aufzufassen und dadurch den Schein des Dilemmas, vor den sich das Denken bei Antinomien stellt, zu durchschauen. Das unendliche Urteil findet immer dort Anwendung, wo das Denken eines Dritten nötig wird. Damit schließt der Votrag an die Arbeit von Ishikawa zu Kants Denken eines Dritten an. Das unendliche Urteil zeigt sich wirksam bei apagogischen Beweisen. Anhand elementarer Argumentationen der Transzendentalphilosophie lässt sich zeigen, inwiefern Kant auf die positive Funktion der unendlichen Urteile angewiesen ist, wenn er bestimmte Positionen der Transzendentalphilosophie jenseits möglicher Erfahrung bezieht. Durch die Analyse dieser Argumente wird deutlich, dass die unendlichen Urteile für das Projekt, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich ist, unverzichtbar sind. Auch Kants Auffassung des Irrtums, das Thema meiner Dissertation, kann ohne Rückgriff auf die unendlichen Urteile nicht adäquat verstanden werden, weil die Trias von Erkenntnis, Unwissenheit und Irrtum parallel zu der dreigeteilten Urteilsqualität gebildet wurde und der Irrtum als Erkenntnis, die keine ist, der Form des unendlichen Urteils entspricht.

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